Wolfgang Draaf wählt als bekanntes Beispiel das Projekt „Mainbrücke Randersacker“ der Autobahn 3 bei Würzburg vor einigen Jahren: „33.000 Tonnen wog das Bauwerk, das in seine abschließende Position gezogen wurde.“ Die Entwicklung auf dem sogenannten Litzenheber-Sektor sei derart gewaltig, dass praktisch nach oben im Hinblick auf die Traglast keine Grenzen gesetzt seien, sagt der Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK). „Dabei kann die Litze nicht nur vertikal eingesetzt werden, sondern auch horizontal“ – siehe die Brücke bei Würzburg.
Auf dem Gebiet der Hebetechnik insgesamt sind laut Draaf in den vergangenen 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht worden. „Hinsichtlich der Technik, Ausgestaltung und Intelligenz, aber auch hinsichtlich der Traglasten sind heute Operationen möglich, die früher noch unvorstellbar waren.“ Wenn man etwa heute über die neue Generation von Windenergie-Anlagen spreche, gehe es um Nabenhöhen von 180 bis 200 Metern. So vielschichtig wie die Anforderung an die Unternehmen im Bereich des Schwerguthandlings, so vielschichtig sind auch die Anforderungen an die Technik. Dies trifft, so der Verbandschef, auf alle Bereiche zu. „Im Grunde sind es diese vier Säulen: Schwertransport, Kranarbeiten, Montage und zivile Begleitung.“ Bei den ersten drei Säulen spielt die Hebetechnik naturgemäß eine bedeutende Rolle. „Sei es das Be- und Entladen der Spezialfahrzeugkombinationen, sei es die reine Kranarbeit oder die Montage von komplizierten Produktionsstraßen oder gar Brückenbauwerken, wie auch Windenergie-Anlagen.“ Erforderlich sind hierfür sogenannte Flurförderzeuge, zum Beispiel Gabelstapler oder Elektromobilkrane, selbstfahrende Krane wie Mobil-, Hafenmobil- oder Raupenkrane, stationäre Krane wie etwa Brückenkrane, einfache Hebezeuge wie Hydraulikheber – bis hin zu Hubgerüsten und bereits erwähnter Litzentechnik.
Taktgeber Autoindustrie
Hebetechnik ist in vielen Branchen gefragt. Ein weiteres Beispiel ist das Kfz-Gewerbe. „Fahrzeughebebühnen sind das zentrale Arbeitsmittel in Werkstattbetrieben, Autohäusern und Regiebetrieben von Speditionen“, sagt Wolf-Erik Schmitt, Leiter des Fachbereichs Hebetechnik beim Bundesverband der Hersteller und Importeure von Automobil-Service-Ausrüstungen, kurz ASA. Auch in diesem Segment hat es in jüngerer Vergangenheit beachtliche Entwicklungen in der Hebetechnik gegeben. Taktgeber dafür war und ist die Entwicklung in der Automobilindustrie: „Das beginnt vor allem beim Gewicht der zu hebenden Lasten“, erklärt Schmitt. Stichwort SUV: „Sie machen gut ein Fünftel der Neuzulassungen in Deutschland aus. Diese Fahrzeuge sind schwerer, erfordern also entsprechend stärker ausgelegte Hebetechnik. Das gilt beispielsweise auch für den Räder- und Reifen-Service.“ Im Reifengeschäft etwa gehe der Trend seit Jahren zu immer größer dimensionierten Rädern mit entsprechender Bereifung. „Bei Gewichten von 30 bis 40 Kilo pro Rad sind entsprechende Radheber erforderlich, die den Mitarbeitern in der Werkstatt ein rückenschonendes, schnelles und präzises Montieren der Räder ermöglichen.“
Neue Herausforderungen bringt nach Aussage des ASA-Fachbereichsleiters zudem die Elektromobilität mit sich: „Denn neben den deutlich höheren Gewichten der E-Fahrzeuge müssen wir Lösungen entwickeln, die bei angehobenem Fahrzeug genug Raum lassen, um den kompletten Akku sicher aus dem Unterboden der Fahrzeuge zu entnehmen. Dies unter Wahrung aller sicherheitstechnischen Vorschriften für die Arbeit an Hochvolt-Fahrzeugen und größtmöglicher Arbeitssicherheit für die Mechaniker in der Werkstatt.“
Mega-Thema Sicherheit
Wenn Lasten bewegt werden, spielen Sicherheitsaspekte naturgemäß eine große Rolle. „Grundsätzlich ist zu konstatieren, dass die Gesetze, Verordnungen oder technischen Richtlinien insbesondere zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit auch zukünftig das Arbeiten stark beeinflussen werden“, so Wolfgang Draaf vom BSK. Ein Mehr an Sicherheit sei immer zu begrüßen, „aber in der Regel steigt damit auch der Aufwand bei den Vorbereitungen zur eigentlichen Arbeit mit entsprechenden Dokumentationen (zum Beispiel Sicherheits- und Gesundheitsplan) und bei der Durchführung der Arbeit.“
„Wir haben nicht nur nationale, sondern auch europäische und internationale Gesetze, Richtlinien und Vorgaben zu beachten“, betont Wolf-Erik Schmitt. „Weil viele unserer Mitglieder ihre Produkte weltweit exportieren, gehört die Anpassung der Produkte an neue gesetzliche Vorgaben quasi zum Tagesgeschäft. Da deutsche und europäische Produktsicherheitsregeln weltweit aber zu den strengsten zählen, sind die Produkte unserer Mitglieder auch international sehr gefragt.“ Das Problem: „Für manche günstigen Anbieter sind deutsche und europäische Produkt- und Sicherheitsvorschriften Maximalanforderungen. Für unsere Mitglieder sind sie das Minimum dessen, was ihre Produkte erfüllen müssen“, so Schmitt. „Viele Kunden nehmen zwar gerne Service und Beratung unserer Mitgliedsunternehmen wahr, kaufen dann aber doch Billig-Produkte aus Fernost.“ Ein paar hundert Euro Ersparnis beim Kauf rächten sich allerdings in der Regel schon nach kurzer Zeit. Denn auch bei Hebetechnik gelte: „Wer billig kauft, kauft zweimal.“
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de
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