Immobilien (Ausführung)

Platz machen für Veränderungen

Wenn das Material länger hält als die zugedachte Funktion: Betonbohrungen und Tiefenbohrungen schaffen Zukunft.

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von Regiomanager 01.07.2016
Diamantbohrer sind seit gut 60 Jahren im Einsatz (Foto: Hilti)

Beton
war der „Baustoff des 20. Jahrhunderts“ und hat durch
betontechnologische Innovationen durchaus auch das Potenzial, dieses
Prädikat im 21. Jahrhundert zu verteidigen. Heute ist Beton ein
Hightech-Produkt. Selbst verdichtender Beton und lichtdurchlässiger
Beton sind die jüngsten und spektakulärsten Beispiele einer Entwicklung,
deren Ende noch lange nicht absehbar ist. Beton hat aber auch seine
Grenzen: Einmal geformt und ausgehärtet, zeigen sich die Tücken der
sprichwörtlichen Betonhärte: Nicht immer halten die zugedachten
Funktionen so lange wie das Material. Steht die Sanierung des Eigenheims
an, müssen die Werkshalle, ein Maschinenfundament, das Tragwerk einer
Brücke verändert werden, stellt sich die Frage, wie diese neuen
Anforderungen optimal umgesetzt werden können. Durchbrüche für alte
Wände und Decken müssen her, für die Fassadendämmung ist das Abtrennen
von Vordächern oder Balkonen notwendig, moderne Haustechnik braucht neue
Wege für Rohre und Leitungen. Dann sind die Spezialisten der Betonbohr-
und Betonsägebranche am Zuge. Die ältesten Spuren von Kernbohrungen
findet man in Ägypten. Dort wurde diese Art der Steinbearbeitung bereits
vor 5.000 Jahren ausgeführt. Es ist nicht überliefert, wie die
Bohrungen hergestellt wurden, jedoch findet man Kernbohrungen an den
unterschiedlichsten Bauten und Bauteilen. Die heute verwendete Technik
des hydraulischen und elektrischen Kernbohrens mit diamantimprägnierten
Segmenten wird seit etwa 50 Jahren verwendet. Mit dieser Technik lässt
sich nahezu jede Form aus Wand oder Decke sägen oder bohren. Ein neues
Fenster, eine neue Tür oder die räumliche Vergrößerung mittels großen
Wandausschnitts sind klassische Sägearbeiten. Werden runde Aussparungen
gewünscht, kommt ein Kernbohrer zum Einsatz. Er macht Platz für einen
neuen Dampfabzug oder anspruchsvolle Arbeiten in einem Atomkraftwerk,
für den neuen Dunstabzug, den nachträglichen Kamineinbau oder neue
Versorgungsleitungen. Fachbetriebe für solche Arbeiten gibt es überall
in der Bunderepublik, die leistungsfähigsten sind im Fachverband
Betonbohren und -sägen organisiert. Mit knapp 700 Mitgliedern ist er
weltweit der größte dieser Branche. Viele Dienstleister bieten neben dem
klassischen Bohren und Schneiden auch Rückbauarbeiten mit
Abbruchrobotern, Boden schleifen, Belag schneiden und Klebebewehrungen
an. 2015 war für die Betonbohr- und -sägebranche ein wirtschaftlich
erfolgreiches Jahr. „Sicher gab es regionale Unterschiede, aber in der
Summe herrschte eine gute bis sehr gute Auftragslage unter den
Fachbetrieben. Auch für das laufende Jahr wird mit stabilen bis
wachsenden Umsätzen gerechnet“, bilanziert Thomas Springer. Der
Vorsitzende des Verbandes freut sich über die gefüllten Auftragsbücher
der Fachbetriebe, verdeutlicht aber auch ein seit mehreren Jahren
erkennbares Problem der Branche: Es fehlen zunehmend qualifizierte
Fachkräfte. „Einige Kollegen berichteten, dass sie gern mehr Projekte
gestemmt hätten, wenn sie nicht an die Kapazitätsgrenzen ihrer
Mitarbeiter gestoßen wären“, zeigt Springer auf. Diesem Thema widmet
sich der Fachverband mit dem Angebot der überbetrieblichen Aus- und
Weiterbildung von Nachwuchskräften und Quereinsteigern. „Mit dem
Berufsbild des Bauwerksmechanikers für Abbruch und Betontrenntechnik ist
die Branche sehr gut aufgestellt“, ist der Verband überzeugt.

Brunnenbau: Eines der
ältesten Handwerke

Erfolgreich unterwegs ist auch ein weiterer
Zweig der Bohrbranche: „Brunnenbauer“ nennen sich auch heute noch die
gut 5.000 Spezialisten der Branche, die bundesweit in gut 500
Unternehmen tätig sind. Der Jahresumsatz der „Brunnenbauer“ liegt bei
633 Millionen Euro, ein Mehrfaches davon kann dem Branchenspektrum
zugeschrieben werden. Zum Bereich „Bohrtechnik“ gesellen sich auch die
Unternehmen, die nach Erdgas und Erdöl bohren, die Tunnelbauer und die
vielen Hersteller, die aber nicht klar abgegrenzt werden können, weil
sie sich auch im Spektrum des Maschinenbaus wiederfinden. „Geologische
Aktivitäten sind immer mit Unbekannten verbunden. Man kann nicht in den
Untergrund hineinsehen, man weiß nie, was kommt. Eine spannende, aber
auch schöne Aufgabe“, sagt Sebastian Geruschka. Für den Geschäftsführer
der Bundesfachgruppe Brunnenbau, Spezialtiefbau und Geotechnik im
Zentralverband Deutsches Baugewerbe steht fest, dass die spezielle
Herausforderung des Gewerkes immer die Herstellung der Bohrung ist.
Traditionell wird die bei der Suche nach Wasser eingesetzt. Ohne Wasser
kann der Mensch nicht leben, und ohne Brunnen kommt er nicht an diese
wichtige Lebensressource heran. Daher ist der Brunnenbau einer der
ältesten Handwerke, das sich im Laufe der Zeit aber technisch stark
verändert und darüber hinaus um neue Aufgaben erweitert hat. In früheren
Jahrhunderten war der Bau von Brunnen schwere Handarbeit. Heute haben
neue Bauverfahren, Geräte und Computerisierung Eingang in den Brunnenbau
gefunden. Die Erschließung großer Bohrtiefen und große Bohrdurchmesser
sind heutzutage tägliche Praxis für die Fachbetriebe des Brunnenbaus.
Die sind längst aber auch in den verschiedensten Bereichen des
Spezialtiefbaus und in der Geothermik tätig. Die Unternehmen sind auch
bei der Erkundung des Grundwassers in Bereichen von Altdeponien und
Altstandorten tätig. Auch die Sanierung und Regenerierung von Brunnen
gewinnt zunehmend an Bedeutung. Mit Bohrungen für Tiefgründungen wie
beispielsweise Pfahlgründungen bewältigen moderne Brunnen- und
Wasserwerksbauunternehmen schwierigste Gründungsarbeiten. Neben
vertikalen oder geneigten Bohrungen werden für Rohrleitungen zunehmend
auch horizontale Bohrungen und Rohrvortriebe ausgeführt.

Geothermie rückt in
den Mittelpunkt

Der klassische Brunnenbau erfordert heute
Bohrungen in einer Tiefe von 50 bis 60 Metern, geothermische Bohrungen
graben sich je nach Technik in einen Bereich bis 400 Meter Tiefe.
Bohrungen zur Anwendung von Erdwärme zur direkten Nutzung für
Heizungsanlagen und die Warmwasseraufbereitung haben das Spektrum in den
vergangenen Jahren deutlich erweitert. „Geothermie rückt in einer Zeit
hoher umweltpolitischer Sensibilität mehr und mehr in den Mittelpunkt
der Tätigkeit der Fachbetriebe des Brunnenbaus“, erläutert Sebastian
Geruschka. Das Tätigkeitsfeld der Brunnenbauer habe sich dadurch in den
vergangenen 15 Jahren komplett verändert. Geothermie (Erdwärme) ist die
unterhalb der festen Oberfläche der Erde gespeicherte Wärmeenergie. Je
tiefer man in das Innere der Erde vordringt, desto wärmer wird es. In
Mitteleuropa nimmt die Temperatur pro 100 Meter Tiefe um etwa drei Grad
Celsius zu. Erdwärme kann aber auch zur Kühlung von Gebäuden, zur Wärme-
und Kältespeicherung im Untergrund sowie zur Schnee-  und
Eisfreihaltung von Straßen, Schienen, Brücken bzw. von Start- und
Landebahnen eingesetzt werden. Das tiefste Loch des Landes soll übrigens
der Stadt Arnsberg „Bares“ und Energie bringen: Sechs Jahre nach
Bohrbeginn und vielen Rückschlägen konnte kürzlich ein europaweit
einmaliges Pilotprojekt zur Geothermie erfolgreich abgeschlossen werden.
In einer Tiefe von 2.835 Metern wird Wasser „gezapft“. Das kommt mit 55
Grad aus der Tiefe und soll künftig 70 Prozent des Energiebedarfs des
Erlebnis-, Sport- und Solebads „NASS“, einer Schule und einer Sporthalle
decken – das entspricht einem Wärmebedarf von 140 Einfamilienhäusern.
Das Projekt hat auch seinen Preis: Es kostete 3,5 Millionen Euro.
Dennoch soll es sich rechnen: Abhängig von den
Energiepreisentwicklungen, soll sich die Investition nach etwa 15 Jahren
amortisieren. Anschließende Gewinne, so der Plan, sollen dem
städtischen Haushalt zufließen. Reinhold Häken Redaktion@suedwestfalen-manager.de

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