Management

Personal: #quietquitting

Den Begriff kennt inzwischen jeder. Doch was ist dran an „Quiet Quitting“ und was können Arbeitgeber tun, um dem vorzubeugen?

Avatar
von Regiomanager 14.11.2022
(© Pixel-Shot – stock.adobe.com)

Zunächst einmal zur Definition: Quiet Quitting kann man nicht wörtlich übersetzen. „Stille Kündigung“ umfasst es nicht richtig. Wie alle Begriffe, die über die sozialen Medien geformt wurden, wird das Thema neu gedacht. Es geht nicht wirklich darum, das Unternehmen zu verlassen, sondern um die Haltung, die viele Arbeitnehmer*innen ihrer Arbeit entgegenbringen. Denn die Quiet Quitter mögen ihren Job, sie sind einfach nur nicht bereit für zusätzliches Engagement.
Bei einer inneren Kündigung ist die betroffene Person in Gedanken schon bei einem anderen Arbeitgeber, den es aber noch zu finden gilt. Noch weiter entfernt ist Quiet Quitting vom kontraproduktiven Verhalten. Denn Quiet Quitter schädigen den Arbeitgeber nicht absichtlich, beispielsweise in Form von Diebstahl oder dem Verrat von Firmengeheimnissen. Quiet Quitting kann vielmehr als eine Art Rettungsanker gesehen werden: Bevor die Betroffenen ernsthaft eine Kündigung in Angriff nehmen, zeigen sie ihrem Arbeitgeber die rote Karte. Für diese könnte es ein Weckruf sein, um Beschäftigten das zu geben, was sie brauchen, um ihre volle Arbeitsleistung zu erbringen: bessere Arbeitszeitmodelle, mehr Homeoffice, bessere Bezahlung oder einfach nur mehr Wertschätzung.
Folgt man dem Hashtag #quietquitting in den sozialen Medien, erhält man schnell eine umfangreiche Einführung in das Thema. Zaid Khan alias @zaidleppelin gilt als der Katalysator von Quiet Quitting. Der 24-jährige Ingenieur aus New York veröffentlichte im Juli ein Video auf TikTok, das viral ging. Mehr als 3,5 Millionen Mal wurde die Botschaft gesehen: „Du kündigst nicht deinen Job, arbeitest aber nicht mehr, als dein Vertrag vorsieht. Arbeit ist nicht dein Leben, dein Wert als Mensch definiert sich nicht über deine Produktivität.“


Herausforderung und Chance


Unproduktive Mitarbeiter*innen stellen viele Betriebe in Deutschland vor große Aufgaben, denn der Personal- und Fachkräftemangel bedeutet für die Unternehmen derzeit, dass wenige mehr leisten müssen. Um neue Leute zu bekommen, sind vielerorts neue Anwerbekonzepte nötig. Klar definierte Arbeitszeiten, die eingehalten werden, und klar genannte Aufgabengebiete, die Zeit für Familie und Freizeit lassen, können hochattraktiv für potenzielle neue Arbeitnehmer*innen sein.
Hier sind gut geschulte Führungskräfte gefragt, die die Kommunikation zum Team aufrechterhalten, die Feedback und Orientierung geben. Und die sich im Gegenzug dazu auch Bedürfnisse und Ansprüche der Arbeitnehmer*innen anhören. Das ist oft leichter gesagt als getan. In ihrem Buch „Umgang mit Low Performern“ schreiben die Arbeitsrechtsanwälte Dr. Frank Wetzling und Maren Habel darüber, wie der Umgang mit wenig produktiven Mitarbeiter*innen aus arbeits- und betriebswirtschaftlicher Sicht in der Praxis optimal gesteuert werden kann. Sie betrachten vor allem die für diese Schwächen typischen Ursachen: Krankheit, fehlende Motivation sowie die Schwierigkeit, mit Veränderungen am Arbeitsplatz Schritt zu halten. Die Autoren geben Hinweise, wie durch sinnvolle Gespräche Vereinbarungen festgehalten und überprüft werden können. Wichtig sei dabei vor allem, diese Gespräche zu dokumentieren und so für beide Beteiligten nachvollziehbare Grundlagen zu schaffen. Mithilfe von Zielvereinbarungen und notfalls Zielvorgaben sollten Anreize für mehr Performance gesetzt werden.


Bedürfnisse erkennen


Wie auch immer man im Unternehmen damit umgeht, Quiet Quitting sollte weder als Ausdruck einer zunehmend faulen Belegschaft verteufelt noch als neue Ideologie gefeiert werden. Auf der einen Seite gibt es viel zu viele unterschiedliche Beweggründe, die auch privater Natur sein können. Andererseits gehen viele Menschen gerne zur Arbeit, weil es ihnen schlicht und einfach Spaß macht und sie Erfüllung und Bestätigung finden. Und weil eben jeder Mensch anders ist, liegt die Lösung darin, die eigene Belegschaft zu verstehen und ihre Bedürfnisse zu erkennen. Oder anders gesagt: #kennedeinteam.


Interview – „Quiet Quitting ist keine Massenbewegung“


Zwei Fragen an Prof. Dr. Uwe P. Kanning, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück.

Regio Manager: Was halten Sie von dem Begriff „Quiet Quitting“, der aktuell in den Medien auftaucht? Ist das Angstmache oder wird das immer mehr Realität?

Prof. Dr. Uwe P. Kanning: Quiet Quitting bedeutet, dass Mitarbeiter*innen nicht bereit sind, mehr zu leisten, als vertraglich vereinbart wurde. Dies gilt gegebenenfalls auch für bezahlte Überstunden. Das Phänomen ist sicherlich nicht neu. Niemand weiß, ob es zugenommen hat, niemand weiß, wie viele Personen davon betroffen sind. Insofern gibt es erst mal keinen Grund zur Panik. Selbst wenn wir stereotyp unterstellen, dass junge Menschen eher zu Quiet Quitting neigen, ist immer noch zu bedenken, dass in der Generation Y ca. 15 Millionen und in der Generation Z ca. 10 Millionen Menschen zu finden sind. Beide Gruppen sind extrem groß und daher zwangsläufig so heterogen, dass nicht mit einer „Massenbewegung“ zu rechnen ist. Positiv gewendet kann die Diskussion um Quiet Quitting dazu beitragen, dass sich Unternehmen mehr Gedanken über ihre Personalauswahl und ihre Führungskultur machen.

RM: Was kann man als Arbeitgeber tun, um solchen Tendenzen vorzubeugen?

Uwe P. Kanning: Zunächst ist es erst einmal wichtig herauszufinden, wie viele Menschen im eigenen Unternehmen davon betroffen sind und warum sie diese Einstellung zur Arbeit haben. Hier gibt es sehr viele mögliche Gründe: stark ausgeprägtes Streben nach Work-Life-Balance, ein Arbeitsplatz, der nicht zur eigenen Person passt, eine veränderte familiäre Situation, Quiet Quitting als Reaktionen auf zu hohe Arbeitsbelastung, personelle Unterbesetzung, Konflikte oder Ähnliches. Unterschiedliche Ursachen erfordern dann jeweils angemessene Reaktionen, sofern Quiet Quitting im eigenen Haus so weit verbreitet ist, dass es zu einem Problem wird. Ganz grundsätzlich empfiehlt es sich, bereits in Zuge des Personalmarketings die Arbeitsbedingungen realistisch darzustellen und nicht – wie so oft –Bewerber*innen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Die Personalauswahl muss die Passung zwischen den Merkmalen des Arbeitsplatzes auf der einen Seite und den Eigenschaften und Bedürfnissen der Bewerber*innen auf der anderen Seite untersuchen, damit möglichst viele Menschen einen Arbeitsplatz finden, der gut zu ihnen passt. Zudem sollte man die Kultur des Miteinanders kritisch reflektieren. Bei all diesen Punkten dürfte in so manchem Unternehmen noch viel Luft nach oben sein.

Birgit Marx | redaktion@regiomanager.de

Teilen:

Newsletter abonnieren

Newsletter abonnieren und Brancheninfos erhalten

Datenschutz*