Vielleicht ist die Liebe zur Sommerfrische schon in der Antike erblüht: Kaiser Augustus führte im alten Rom im Jahr 8 v. Chr. eine mehrtägige freie Zeit ein. Diverse Feste prägten den August, die Arenen waren jeden Tag gut gefüllt und in den Städten wurden die Menschen mit Umzügen und Paraden unterhalten. „Ferragosto“ heißt der Feiertag am 15. August, der auch heute noch im Mittelpunkt des Urlaubsgeschehens steht. In Frankreich sind die Sommerferien ebenfalls heilig. Anfang Juli fällt das ganze Land in eine Art Sommerschlaf, der erst im September mit der „Rentrée” endet. Natürlich suchen die Menschen auch in Spanien Schatten und Abkühlung. Wer keinen Urlaub hat, beginnt seine Arbeit früher am Morgen und hat am frühen Nachmittag Feierabend. Das öffentliche Leben steht mindestens bis 17 Uhr still.
In Südeuropa ist die Sache klar: Im Sommer wird landesweit kaum gearbeitet. Das gilt im Handwerk, aber ebenso auch für die Industrie, die auf Sparflamme fährt. Schulen und Universitäten sind dicht. Nur Tourismusdienstleister, die Gastronomie und das Handwerk des täglichen Bedarfs sind am Start. Pechvögel sind auch hier wieder einmal die Bediensteten in Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungen.
Besonderheit Süden
Ob es an der Himmelsrichtung liegt, ist möglicherweise Zufall, sicher ist aber, dass es im Südwesten Deutschlands eine Ferienbesonderheit gibt: Hier halten sich die Handwerkerferien als alte Tradition seit vielen Jahrzehnten. Alljährlich empfehlen Kreishandwerkerschaften ihren Betrieben Termine, um zwei bis drei Wochen Urlaub zu machen und das Geschäft zu schließen. Inhaber von kleinen Betrieben sollen damit die Möglichkeit bekommen, selbst einmal Ferien zu machen – ohne Angst haben zu müssen, dass ihnen Aufträge entgehen. Denn während die Angestellten ihren vertraglich festgelegten Jahresurlaub haben, kommt bei den Chefs Freizeit oft zu kurz. Sinn des allgemeinen Datums der Handwerkerferien ist es, potenzielle Auftraggeber darüber zu informieren, dass viele Firmen geschlossen haben oder mit kleinerer Mannschaft arbeiten.
Individuelle Planung
Zettel mit der Aufschrift „Wir machen Betriebsurlaub“ finden sich immer seltener an den Türen der örtlichen Handwerksbetriebe. „Es bleibt jedem Betrieb selbst überlassen, seine Urlaubszeiten zu planen“, erläutert Alexander Tauscher von der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Er spricht für die mit 80.000 Mitgliedsbetrieben größte deutsche Handwerkskammer und weiß, dass einzelne Branchen den Betriebsurlaub pflegen. „Besonders für kleine Handwerksbetriebe machen Betriebsferien vieles einfacher. Die Jahresplanung gestaltet sich flexibler und auch der Urlaub für Chef und Mitarbeiter lässt sich leichter planen. Sie treten ihn zu Pfingsten oder Weihnachten oder im Sommer an. Generell nutzen kleinere Unternehmen gern die Möglichkeit, ‚geordnet‘ eine kleine Auszeit nehmen zu können. Bei Friseuren oder Malerbetrieben ist das erkennbar“, erläutert Tauscher. Einen Überblick darüber, welcher Betrieb Ferien macht, habe die Kammer nicht – denn niemand müsse sich dort an- oder abmelden. Geschätzt wird, dass lediglich etwa 20 Prozent der Handwerkerfirmen Betriebsurlaub nutzen. „Meist Ein-Mann-Betriebe oder Firmen mit weniger als fünf Mitarbeitern.“ Dass viele Handwerker den Sommer durcharbeiten, hat vor allem betriebswirtschaftliche Gründe. In vielen Branchen, etwa bei Bäckern, Metzgern, Sanitär- und Elektrobetrieben, ist der Konkurrenzdruck groß. Für die oft als Familienunternehmen geführten Betriebe kann eine mehrwöchige Schließung nicht nur den Verlust von Einnahmen bedeuten, sondern unter Umständen auch von Kunden.
Absprache einfacher
Plant der eine ein paar verlängerte Wochenenden über das Jahr verteilt, schwebt dem anderen ein günstiger Familienurlaub außerhalb der Hauptferiensaison vor. Die verschiedenen Wünsche allesamt unter einen Hut zu bringen kann schnell zur Herausforderung werden. Dennoch verzichten viele Betriebe mittlerweile auf einen Betriebsurlaub. Darüber können sich vor allem die Arbeitnehmer freuen. Denn sie sind nicht gezwungen, ihren Jahresurlaub in die Hauptreisezeit zu legen. Das spart Geld und erleichtert die Urlaubsabsprache mit dem Lebenspartner.
Vorlauf erforderlich
„Der Urlaubsanspruch ist ein Anspruch – wie jeder andere auch – im Bereich des Arbeitsrechts und daher ohne Wenn und Aber zu beachten. Das geschieht im Handwerk in der Praxis auch ohne Weiteres – ob es sich um ein reguläres oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handelt“, beschreibt Beate Preuschhoff vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZdH). Urlaub diene der Erholung, der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit letztlich auch dem Arbeitsschutz. „Daran haben auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein großes Interesse“, ist die Verbandssprecherin überzeugt. Ob Betriebsferien sinnvoll und gerechtfertigt sind, sei im Einzelfall zu entscheiden und hänge auch von der jeweiligen Branche ab. Zu beachten sei, dass die Festlegung von Betriebsferien durch die Arbeitgeber an gewisse Voraussetzungen geknüpft ist. So ist die Anordnung von Betriebsferien beispielsweise nur unter Einhaltung einer angemessenen Ankündigungsfrist zulässig. Die Arbeitsgerichte gehen hier schon einmal von einem Zeitraum von mehreren Monaten aus. Kurzfristig angeordnete Betriebsferien, wie etwa wegen eines Auftragsmangels oder Störungen in der Lieferkette, beispielsweise aktuell aufgrund des Ukrainekrieges, seien daher problematisch. „Einen Trend zu oder weg von Betriebsferien können wir nicht ausmachen“, bilanziert die ZDH-Sprecherin.
„Korridore“ verändern
Das ist wohl auch in der Industrie so, aber es gibt Veränderungen. Beim Begriff Werksferien drängt sich das Bild von menschenleeren Fabrikhallen und ausgestorbenen Parkplätzen auf. Tatsächlich schicken vor allem größere Konzerne kaum noch die komplette Belegschaft gleichzeitig in Urlaub. „Urlaubskorridore“ haben die Ferienwelt verändert. In diesem Zeitraum soll der Haupturlaub von drei Wochen genommen werden. In den Unternehmen rücken dann Fremdfirmen zur Reinigung, Reparatur oder Umbau- und Instandhaltungsmaßnahmen an.
Die Werksferienplanung bleibt aber für die Lokalzeitungen in den VW-Standorten Thema für Seite eins: „Es ist gut, rechtzeitig Planungssicherheit für den Urlaub zu haben. Deswegen haben sich Betriebsrat und Unternehmen auch diesmal sehr frühzeitig auf den Termin für den Werksurlaub 2022 geeinigt. So können alle gut ein Jahr vorher ihre Pläne schmieden“, zitiert die „Wolfsburger Allgemeine“ den Betriebsausschuss des Autobauers. Macht der große Arbeitgeber Ferien, verändert sich das Leben in der Stadt.
Reinhold Häken | redaktion@regiomanager.de
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