Allein beim Gedanken daran wird manchem mulmig: Steht eine Zahnbehandlung an, bekommen viele Menschen schweißnasse Hände. „Und das sind keine Einzelfälle“, erklärt Professor Dr. Hans-Peter Jöhren von der Klinikleitung der Zahnklinik Bochum. Rund 70 Prozent der Deutschen gehen mit einem Angstgefühl zum Zahnarzt. Jeder zehnte Deutsche fürchtet sich so sehr vor dem Besuch, dass er ihn lieber vermeidet. Wenn die Angst krankhaft ist, wenn die Betroffenen sogar Schmerzen und Alltagseinschränkungen in Kauf nehmen, sprechen Experten von einer Zahnbehandlungsphobie. „Es ist vor allem der Schmerz vor, während und nach einer Zahnbehandlung, der bei betroffenen Patienten zur Vermeidung führt“, erklärt Jöhren. Der Zahnmediziner ist spezialisiert auf die Behandlung von Angstpatienten. Fast auf den Tag genau vor 15 Jahren hat er sich in Bochum niedergelassen. An der Bergstraße 28 gründete er die Zahnklinik Bochum und das Therapiezentrum Zahnbehandlungsangst. Heute führt er die Klinik zusammen mit Dr. Christian Späth und Dr. Jan Henning Gloger. Auch wenn Zahnärzte heute mit Lokalbetäubung, Schmerzmitteln und modernen Geräten eine weitgehend schmerzfreie Behandlung durchführen können: Die Angst bleibt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Patient liegt auf dem Rücken, er sieht in der Regel nicht, was in seinem Mund passiert. Die kleine Spritze sieht plötzlich bedrohlich aus. Man kann nicht sprechen, und dann sind da noch diese Geräusche beim Bohren und Saugen. Auch sie tragen nicht unbedingt zur Entspannung bei. Und bevor das alles passiert, ist da schon dieser typische Geruch beim Betreten der Praxis – die Nase schlägt Alarm. „Kaum ein anderer Beruf in der ambulanten Medizin wird so mit Schmerzerfahrung und dem ‚Ausgeliefertsein‘ in Verbindung gebracht wie der des Zahnarztes“, weiß Jöhren. Neben der Schmerzerwartung kann die Ursache für die Phobie auch in der Familie liegen. Kinder lernen die Behandlungsangst von ihren Eltern, ahmen sie nach und fürchten sich. Andere Patienten neigen einfach zu Ängsten. „Panische Furcht vor der Zahnbehandlung ist nichts Schlimmes, der Arzt sollte die Ängste seines Patienten aber kennen. Reden Sie mit Ihrem Zahnarzt darüber und vereinbaren Sie Zeichen, um jederzeit die Behandlung unter-brechen zu können“, rät Jöhren. Sein gut geschultes Praxispersonal bereitet bei Angst-patienten angstlindernde Maßnahmen vor. Sie reichen von Atemtechniken über gründliche Aufklärung bis hin zu Pausen während der Behandlung. Ist die Phobie zu groß, kann eine Psychotherapie die Lösung sein. In der Bochumer Zahnklinik wurde die Therapie in Kooperation mit der Bergischen Universität Wupper-tal aufgebaut und etabliert. Heute wird die Behandlung von Zahnbehandlungsphobikern durch die Psychologen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) im angegliederten Therapiezentrum für Zahnbehandlungsangst durchgeführt. Die Patienten werden informiert, systematisch desensibilisiert, verhaltenstherapiert und lernen Entspannungstechniken. Angesetzt sind jeweils drei Sitzungen à 90 Minuten, die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Und die Erfolgsquote spricht für sich. 70 Prozent der Patienten gehen nach der Therapie ohne panische Angst zum Zahnarzt. Rund 150 Phobie-Patienten werden jährlich behandelt. „Wir haben leider eine lange Warteliste“, sagt Jöhren. Daher wurden zusätzliche Behandlungskapazitäten direkt in der Ambulanz der Klinik für Psychologie und Psychotherapie der RUB geschaffen. Weitere Möglichkeiten zur Behandlung von Patienten mit Zahnbehandlungsangst sind Hypnose, Lachgas und die Vollnarkose. Mit Schmerz- oder Beruhigungsmitteln sei es hingegen nicht getan: Damit wird die Angst nicht bekämpft. Jöhren rät deswegen, einen Termin beim Zahnarzt dann zu vereinbaren, wenn keine akuten Beschwerden vorliegen. „Dann kann in Ruhe besprochen werden, was zu tun ist.“
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