Wertschätzung – in manchen Ohren mag dieser Begriff vielleicht etwas altmodisch klingen. Doch nach Ansicht von Experten ist er im beruflichen Umfeld so aktuell nie. Seine Bedeutung hat sich jedoch stark verändert, wie Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes mit Sitz in Duisburg, betont: „Wertschätzung war schon immer wichtig. Allerdings hat sie sich viele Jahre recht eindimensional zumeist über Gehalt und Statussymbole definiert. Darauf liegt heute nicht mehr der Fokus.“ Die nachfolgenden Generationen hätten demnach andere Bedürfnisse. Beispiel „Generation Z“: „Auf Geld und Karriere legen die jungen Menschen weniger Wert, sie möchten sich selbst verwirklichen. Work-Life-Balance ist ihnen sehr wichtig – mit einer klaren Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben.“ Und dass sie auch von daheim aus Leistung bringen, ist für die jungen Leute laut Wolfgang Schmitz selbstverständlich. „Das Vertrauen aber müssen viele Unternehmen noch lernen.“
Wichtiges Kriterium für Stellenwahl
„Für viele junge Menschen ist das Thema Wertschätzung ein Entscheidungskriterium für die Wahl des Arbeitsplatzes und des Arbeitgebers“, sagt Steffen Kawohl. Angesichts des sich vollziehenden demographischen Wandels und eines zunehmenden Fachkräftemangels in vielen Branchen sollten Unternehmen den Aspekt Wertschätzung ernst nehmen, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dem Experten für Arbeit und Bildung des Deutschen Mittelstands-Bunds (DMB) zufolge drückt sich Wertschätzung von Beschäftigten in der Berücksichtigung ihrer individuellen Situation aus. „Dazu gehören zum einen faire und gute Arbeitsbedingungen mit angemessener Bezahlung und entsprechenden Arbeitszeiten. Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass Arbeitgeber nicht nur die Arbeitsleistung im Unternehmen würdigen, sondern auch die individuelle Lebenssituation ihrer Beschäftigten im privaten Leben im Blick haben.“
Erfolgreiche Arbeitgeber verfügten über das Bewusstsein, dass sie und ihre Beschäftigten gleichermaßen aufeinander angewiesen seien – „und zeigen dies auch in ihrer Unternehmens- und Führungskultur“. Solche Unternehmen versuchten mit flexiblen Arbeits-(zum Beispiel Homeoffice) und Arbeitszeitmodellen, der individuellen Lebenssituation ihrer Beschäftigten gerecht zu werden. „Vor diesem Hintergrund ist es auch wichtig, die langjährige Zugehörigkeit von Mitarbeitern zum Unternehmen angemessen zu würdigen“, meint Steffen Kawohl. „Ein Beschäftigter, der einem Unternehmen jahrelang die Treue hält und dabei gute Arbeit leistet, drückt damit schließlich auch seine Wertschätzung für seinen Arbeitgeber und dessen Unternehmenskultur sowie seine Kollegen aus.“
Nicht nur so tun
„Wertschätzung ist eine Haltung“, so Wolfgang Schmitz. „Sie muss ehrlich gemeint und in der Unternehmenskultur verankert sein. Wer nur so tut als ob, hat schon verloren.“ Wertschätzung muss also zwingend ganz oben in der Chefetage beginnen. „Nur was dort vorgelebt wird, hat auch eine Chance, die Organisation zu durchdringen, beispielsweise der konstruktive Umgang mit Fehlern.“ Eine ehrliche, richtige Wertschätzung sei kein Hexenwerk. „Oft reichen schon kleine Gesten“, meint der Verbandsgeschäftsführer. „Beispielsweise den Mitarbeitenden aufmerksam zuhören, sie um Rat fragen, ihnen ganz konkret danken, wenn sie eine Aufgabe gut und kreativ gelöst haben.“
Die Frage, wie sich Wertschätzung jenseits von Gehalt und Lohn sinnvoll ausdrücken lässt, beschäftigt viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Schließlich geht es um Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Wolfgang Schmitz gibt darauf diese Antwort: „Es fängt an mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben hier kürzlich im Lokalen Bündnis für Familie in Duisburg das Feedback von Unternehmen bekommen, dass dieses eigentlich bekannte Thema nichts an Aktualität verloren hat – ganz im Gegenteil. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, Job und Familie unter einen Hut zu bringen, steigern die Loyalität der Arbeitnehmer nachhaltig.“ Hinzu kommen Dinge wie die Anwendung von New-Work-Prinzipien, Diversity-Programmen oder faire Leistungsbeurteilungs- und Belohnungssysteme.
Transparente Kommunikation
Steffen Kawohl vom DMB stellt eine transparente Kommunikation nach vorne: „Die Beschäftigten erhalten von ihren Vorgesetzten ehrliches Feedback, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Sie erfahren von betrieblichen Ereignissen und Entscheidungen, die sie selbst betreffen, direkt und frühzeitig von ihren Vorgesetzten und nicht erst über den Flurfunk.“ Weitere Punkte sind regelmäßige Möglichkeiten der Weiterbildung, gemeinsame Firmenfeiern oder Aktivitäten, die das „Wir-Gefühl“ unterstreichen, sowie Ehrungen von Dienstjubiläen und Anteilnahme beziehungsweise Würdigung privater Ereignisse wie Geburtstag, Hochzeit oder der Verlust eines Angehörigen. „Unternehmen und Führungskräfte sollten sich für die Kolleginnen und Kollegen als Menschen interessieren, inklusive Persönlichkeit und, zumindest ein Stück weit, Privatleben“, meint auch Wolfgang Schmitz.
Er ergänzt zudem einen Aspekt, der oft außer Acht gelassen wird: „Ganz wichtig ist auch, wie ein Unternehmen mit Mitarbeitenden umgeht, die das Unternehmen verlassen. Werden diese wie heiße Kartoffeln fallengelassen, sendet das eindeutige Signale an die komplette Belegschaft.“ Heißt also: „Wertschätzung hört niemals auf.“
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de
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