Management

Wie tickt die Generation Z?

Die Generation Z ist zwischen 1995 und 2010 geboren worden und stellt ganz neue Ansprüche an die Arbeitswelt. Im Interview erläutert Dr. Rüdiger Maas, Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung in Augsburg, wie die „Gen Z“ denkt, handelt und was sie bewegt.

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von Maren Hellhake 11.09.2024
(© deagreez – stock.adobe.com)

REGIO MANAGER: Herr Dr. Maas, aktuell stehen vier Generationen im Berufsleben: Die Babyboomer, die Generation X, die Millennials bzw. Generation Y und die jüngste Generation Z, die gerade den Arbeitsmarkt erobert. Was sind die zentralen Unterschiede zwischen der Gen Z und ihren Vorgängern?

Dr. Rüdiger Maas: Die Kohorte der Babyboomer steht der Generation Z zahlenmäßig konträr gegenüber auf dem Arbeitsmarkt. Waren die Boomer die größte Geburtenkohorte seit dem Zweiten Weltkrieg, sind die Mitglieder der sogenannten Gen Z die mit Abstand kleinste. Da nun auch noch die Babyboomer flächenmäßig den Arbeitsmarkt verlassen, erleben die Nachwuchskräfte der Gen Z ein Novum, das es so in Deutschland noch nicht gegeben hat: Nicht die Nachwuchskräfte bewerben sich, sondern die Unternehmen – die Entscheidung liegt nun größtenteils bei den Nachwuchskräften. Somit bekommen viele Vertreter der Gen Z mehr das Gefühl eines Kunden als eines Bewerbers. Das ist für alle anderen Generationen oft schwer nachvollziehbar, denn sie mussten sich um einen guten Arbeitsplatz regelrecht bemühen und hatten auch immer eine Konkurrenzwahrnehmung, was bei der Gen Z infolge viel weniger stark ausgeprägt ist.
Arbeit wird nun innerhalb der verschiedenen Generationen auch verschieden wahrgenommen. Während sich ältere Generationen stark mit ihrem Beruf identifiziert haben („Ich bin Arzt, ich bin Anwalt, ich bin Schreiner“) würden die Mitglieder der Generation Z eher sagen: „Mein Beruf ist XY, aber nach Dienstschluss bin ich wieder Max Mustermann“). Eine Konsequenz daraus, dass man sich die Arbeitsstelle aus der Fülle an Möglichkeiten selbst auswählen „muss“. Als Folge haben wir nun die „Work-Life-Separation“: Man kommt und geht vor allem auch pünktlich. Ist die Arbeitszeit zu Ende, ist auch die „Arbeit“ zu Ende und es beginnt die Freizeit, die nun mindestens eine gleiche oder gar wertigere Stelle einnimmt.

REGIO MANAGER: Im Rahmen Ihrer „Generation Thinking Studie“ haben Sie die Einstellungen, Wünsche und Meinungen von rund 2.500 Vertretern der Gen Z aus ganz Deutschland in den Fokus gerückt. Welche Erkenntnisse konnten Sie dadurch gewinnen?

Dr. Maas: Ein zweites Novum ist die Digitalisierung: Die Gen Z kann sich ein Leben ohne Social Media, Smartphone und Co. gar nicht mehr vorstellen. Über 99 Prozent haben ein Smartphone und über 95 Prozent von ihnen folgen Influencern auf Social Media. Auch so ein homogenes Generationenphänomen hat es noch nie gegeben. All das prägt nun auch die Wünsche, Meinungen und Einstellungen. Wir haben aktuell eine Erstwähler-Studie durchgeführt und in der Tat hatten die meisten Befragten ihr Wissen aus Social Media oder von Influencern, was natürlich auch große Risiken bergen kann. Zudem musste viele aus dieser Kohorte auf relativ wenig verzichten. Konsum ist somit die normale Umgebungskomponente dieser Gruppe. Eine Folge davon sehen wir auch bei Fridays for Future, die im Kern hauptsächlich Verzicht von anderen einfordert.
Wir haben bei der Generation Thinking Studie die verschiedenen Generationen verglichen und konnten bezogen auf die Frage „Wie wichtig ist dir Familie und Freizeit?“ einen doppelt so hohen Wert wie bei der Generation Y messen. Dabei haben wir 18- bis 23-Jährige befragt und diese Daten verglichen mit 15 Jahre zurückliegenden Daten, um die sogenannten Alterseffekte zu umgehen. Denn 18-Jährige der Gen Z mit 35-Jährigen der heutigen Gen Y zu vergleichen, würde bei dieser Fragestellung gar keinen Sinn ergeben. Der Wert „Arbeit“, so konnten wir belegen, ist bei der Gen Z ebenfalls stark gesunken.

REGIO MANAGER: Der Gen Z wird häufig zugeschrieben, dass sie kaum leistungsbereit, weniger kreativ und zu digital sei. Handelt es sich hier um Vorurteile und warum wird gerade diese Generation im Vergleich zu ihren Vorgängern eher negativ wahrgenommen?

Dr. Maas: Ja, denn nur weil sie Social Media konsumieren, heißt es nicht, dass sie „digital“ sind, geschweige denn eine wirkliche Kenntnis davon haben. Hatten wir früher das Fernsehen hinterfragt beim Konsum oder gar mehr technische Ahnung, weil wir die Fernbedienung benutzen konnten? Nein, denn uns hat nur interessiert, wie wir zum Ziel kommen, und nicht, wie das Ziel entsteht. Deswegen tun sich auch die Mitglieder der Gen Z so schwer an der Zielerreichung im digitalen Prozess mitzuwirken – sie haben es trotz des enormen Konsums nie gelernt. Und der momentane digitale Konsum unterminiert sogar die Kreativitätsentwicklung, denn die Jungen werden hierbei external bespielt und die Rahmung ist vorgegeben – eine mögliche Erklärung dafür, warum besonders gut repetitive Tanzvideos bei TikTok so erfolgreich sind.
Bezogen auf das Thema „Leistung“ haben wir in unserer Finanzkompass-Studie 2023, bei der wir 4.000 Bürger über Leistung und Arbeitsmotivatoren befragt haben, belegen können, dass wir gesamtgesellschaftlich „bequemer“ geworden sind. Die Gen Z ist, wenn man so will, ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Der große Unterschied ist nur, dass die Älteren eben noch eine Zeit kannten, wo Fleiß, Überstunden und der Dienstleistungsgedanke einen hohen Stellenwert hatten. Die jungen Nachwuchskräfte lernen jedoch nun eine Welt mit einer Vier-Tage-Woche-Diskussion kennen und ein enormes Streben ins „immer-bequemer“. Für diese Tendenz haben wir Älteren ganz kräftig gesorgt, dies nun den Jungen vorzuwerfen, wäre kontrafaktisch.

REGIO MANAGER: Für jeden Babyboomer, der in den nächsten Jahren in Rente gehen wird, kommt statistisch nur eine halbe Arbeitskraft der Gen Z nach. Was bedeutet dieser „War for Talents“ für das Recruiting junger Fachkräfte?

Dr. Maas: Dass dies so eintreten wird, wussten wir schon seit 1970. Nun, über 50 Jahre später, reagieren jetzt alle Unternehmen so überrascht und machen plötzlich einen Fehler nach dem anderen. Ich habe hierzu ein ganzes Buch geschrieben mit dem provokanten Titel „Generation arbeitsunfähig“. Viele Personaler sind es gewohnt, beim Recruiting-Prozess aus mehreren Bewerbern auszuwählen. Nun kommen eben diese nur spärlich, dennoch möchte man eine Quantität „erzwingen“ und lädt nun Bewerber ein, die man früher sofort aussortiert hätte. Dadurch beschäftigt man sich nun vermehrt mit „Minderleistern“, die dadurch visibler werden und auch viel Energie kosten.
Nun werden solchen Menschen auch noch Dinge angeboten, die vor Jahren undenkbar waren, und dann sagen diese nicht mal zu und das, obwohl ich sie nie wirklich haben wollte. Wenn ich Unternehmer und Personaler darauf anspreche, kommt sofort die Erklärung: „Ich bekomme ja niemand anders“. Nun ja, wenn ich meinen Arbeitsplatz so verkaufe, bekomme ich eben auch keine Profis mehr und es mindert die Leistungsmotivation aller anderen, die nicht nachvollziehen können, warum solche Bewerber eingestellt werden. Fakt ist, dass der soziodemographische Wandel dafür sorgt, dass wir nur noch eine überschaubare Bewerberzahl bekommen. Daher sollte man sich auch sehr schnell von dem Quantitätsgedanken lösen und nun bewusst auf Qualität achten.
Das bedeutet: Man sucht sich die besten heraus. Gibt es diese nicht, wartet man ab, bevor man die Stelle mit jemanden besetzt, der nicht passt und es zur Kündigung kommt. Denn dann sind alle frustriert, der Prozess läuft daraufhin noch schlechter, es folgen eventuell negative Eintragungen in Bewertungsportalen und das führt dann dazu, dass nun noch weniger Spitzenleister kommen.
Für die wenigen Bewerber kann ich mir nun dafür viel mehr Zeit nehmen und ihnen offen und ehrlich erklären, was sie erwartet. 61 Prozent der Gen Z hat eine völlig andere Vorstellung von der Arbeit als die Tätigkeiten, die sie dann vorfindet. Das hat viel mit einer inkommensurablen Bewerbergesprächsführung zu tun. Man sollte die ganze Energie in die wenigen Bewerber, die man bekommt, investieren und diesen somit von vornherein auch eine gute Arbeits- und Willkommensatmosphäre vermitteln, denn das ist das, worauf über 88 Prozent der heutigen Nachwuchskräfte großen Wert legen. Zeit dafür hat man ja nun im Bewerbungsprozess, da es die zulässt.

REGIO MANAGER: Wie kann man als Arbeitgeber bzw. Personalverantwortlicher die Mitglieder der Gen Z am besten ansprechen bzw. „abholen“?

Dr. Maas: Idealerweise in der analogen Welt. Viele Arbeitgeber versuchen nun krampfhaft, auf Social Media zu „performen“, beachten dabei aber drei wichtige Punkte nicht:

1. Ist der Social Media-Auftritt nicht wirklich sehr gut, ist es maximal kontraindiziert. Kein Social Media-Auftritt wäre hierbei die bessere Alternative, denn dann lenke ich die Bewerber automatisch auf meine Homepage. Diese muss natürlich auch ansprechend sein, wobei es vielen der älteren Generation wesentlich leichter fällt, hierfür zu sorgen.
2. Auf Social Media herrscht ein „War of Attention“. Um diesen zu bestehen, müssten beispielsweise TikTok-Videos so extrem sein, dass man Bewerber bekommt, die wegen eines „Extremvideos“ kommen.
3. Um das zu umgehen, bedarf es der Nutzung von Influencern, doch gute Influencer sind sehr teuer und lassen sich vom Unternehmen nicht vorschreiben, wie das Bewerbungsvideo werden soll.
4. Social Media ist für die Gen Z erstmal eine private Freizeitbespielung. Wer möchte da seinen potenziellen Arbeitgeber tanzend auf einem Video sehen? Wollten wir früher im Jugendclub einen 60-jährigen DJ?
Junge angehende Azubis zum Beispiel haben in unseren Studien immer wieder gesagt, dass sie wissen möchten, wie der Ausbilder bzw. die Ausbilderin ist. Idealerweise nahbar, zu jeder Zeit ansprechbar, nett. Kann er oder sie mir vermitteln, dass ich aus der Fülle an Möglichkeiten die beste ausgewählt habe?
Die beste Erfahrung haben die meisten Unternehmen übrigens, wenn die potenziellen Neuen schon einmal ein Praktikum bei ihnen gemacht haben. Hierauf könnte man auch seine „Recruiting-Strategie“ ausrichten. Für die Bewerbung des Praktikums kann man zum Beispiel wunderbar die Eltern ansprechen und hierfür eignet sich wiederum wunderbar Social Media, denn die Eltern brauchen keinen Influencer hierfür.

REGIO MANAGER: Herr Dr. Maas, herzlichen Dank für das informative Gespräch.

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