Nach der Automobilindustrie und dem Handel ist die Logistik der größte Wirtschaftszweig hierzulande. So erwirtschaftete die Branche 2020 rund 268 Milliarden Euro Umsatz. Mit einer Mitarbeiterzahl von drei Millionen Beschäftigten rangiert die Logistik zudem vor Schwerpunktbranchen der Industrie 4.0 wie Elektronik oder Maschinenbau. Im Herzen Europas nimmt die Logistik mit perfekter geografischer Lage eine internationale Spitzenposition in Infrastrukturqualität und Logistiktechnologie ein. Das zeigt sich vor allem in grenzübergreifender Dimension, denn bei einem geschätzten europäischen Volumen von zuletzt 1.120 Milliarden Euro (Stand 2018) betrug der Anteil deutscher Logistik rund 25 Prozent.
Die Rolle der Intralogistik
Doch damit nicht genug. Denn was in dieser Statistik nicht zum Tragen kommt, ist der innerbetrieblich logistische Aufwand, den nahezu jedes Unternehmen hierzulande aufwendet – die sogenannte Intralogistik. Diese lässt sich nur schwer in Zahlen fassen, zumal laut „Trendreport Intralogistik und Werkstransport 2021“ jedes dritte Unternehmen in Deutschland die Kosten des internen Transports nicht explizit erfasst. Die Studie des Aachener IT-Unternehmens Inform zeigt weiter, dass in 39 Prozent aller befragten Unternehmen über 500 Transportaufträge pro Tag anfallen. Diese interne Logistik ist in der Regel (79 Prozent) zentral organisiert; abgerechnet wird über allgemeine Kostenstellen.
Dieser laxen Haltung in Bezug auf die interne Logistik eines Unternehmens gegenüber steht die Erkenntnis, dass drei Viertel aller Unternehmer in der Intralogistik einen wichtigen Faktor für den gesamten Unternehmenserfolg sehen. Und das nicht ohne Grund. Denn eine wesentliche Aufgabe der Logistik und insbesondere der Intralogistik ist es, die Funktionsfähigkeit global aufgestellter Produktionsunternehmen und Logistik-Netzwerke sicherzustellen. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund von Industrie 4.0, der intelligenten Vernetzung von Produktentwicklung, Produktion und Logistik. Intralogistik kann als Motor für die Weiterentwicklung von Produktions- und Logistikprozessen und -ketten dienen und fußt auf den Entwicklungen zum Internet der Dinge und Dienste.
Dennoch verbleibt die Intralogistik 2021 laut Trendstudie in einigen Bereichen noch im 20. Jahrhundert. In fast allen Unternehmen (95 Prozent) kommen nach wie vor Stapler für den Transport von Waren und Gütern zum Einsatz. Fahrerlose Transportsysteme kommen nur in jedem vierten Betrieb zum Einsatz. Über zwei Drittel der Unternehmen (74 Prozent) setzen intern auf mindestens ein System zur Transportsteuerung. Die dabei eingesetzten Technologien variieren. So dominieren derzeit Lagerverwaltungssysteme gefolgt von ERP-Systemen mit integrierten Transportmodulen. Letztere kommen im Schwerpunkt auch bei der Materialflussverfolgung zum Einsatz. Beiden Lösungsansätzen ist gemein, dass sie weder Echtzeitsteuerung ermöglichen noch Optimierungslogiken beinhalten. Dies deckt sich dann auch mit der Erkenntnis, dass lediglich die Hälfte aller Unternehmen in der Lage ist, innerbetriebliche Transporte im Voraus zu planen. Die Zahlen zeigen, dass die Intralogistik noch viel Potenzial bereithält und oft eines kompetenten Partners bedarf.
Industrie 4.0, Intralogistik und das Fraunhofer IML
Im Jahr 2019 setzte die deutsche Branche für Fördertechnik und Intralogistik rund 23 Milliarden Euro um und beschäftigte 128.000 Personen. Neue Technologien wie cyberphysische Systeme, Internet der Dinge, Big Data, Cloud Computing oder RFID bieten insbesondere für die interne Industrie- und Produktionslogistik interessante Möglichkeiten. In der Speditionsbranche werden Flottentelematik, Tracking und Tracing mit Barcodes, 3D-Codes oder RFID bereits heute verbreitet angewendet. Produktionsprozesse können durch das intelligente Kommunizieren von Produkten, Maschinen und Transportmitteln untereinander verbessert werden. Zudem können angrenzende logistische Prozesse durch die automatische Erfassung und Weitergabe von produktions- und lieferkettenrelevanten Informationen an Steuerungssysteme optimiert werden. Mit dem Geschick der Intralogistik- und IT-Experten bieten sich zudem neue Technologien, Möglichkeiten und Herausforderungen für Intralogistik und Lagermanagement.
Zweifelsohne sind Informations- und Kommunikationstechniken Schlüsseltechnologien für die Entwicklung logistischer Kooperationen. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, hier mit passenden und erfahrenen Partnern wie z.B. dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML aus Dortmund zusammenzuarbeiten. Das Institut stellt nicht nur verschiedenste Expertisen in der Unternehmenslogistik, sondern bietet Unternehmen auch Hilfestellung bei verschiedensten Problemen und Herausforderungen wie Intralogistikplanungen oder Logistik-IT-Systemen.So hat das Fraunhofer IML z.B. das Verbesserungspotenzial im Bereich der Intralogistik bei der Hydro in Grevenbroich analysiert. Aufgabe war es, die Ausbringungsleistung der Gesamtanlage deutlich zu steigern. Hierzu wurde ein vollumfängliches Simulationsmodell über alle Materialflusskomponenten erstellt. Das Fraunhofer IML unterstützte weiter LANXESS bei der Suche nach einem neuen Warehouse Management System (WMS) für den Standort Krefeld-Uerdingen. Ziel war es, ein passendes WMS für die Verwaltung und Steuerung von Big-Bags und Säcken in bestehenden, automatischen Kanallägern und manuellen Bodenblocklägern zu finden.
Modulare Produktionslogistik
ist die Zukunft
Industrie 4.0 ist heute eines der wichtigsten Forschungsthemen für die Intralogistik und nicht nur ein Thema für große Konzerne. Kleine und mittlere Unternehmen sollten ihre Chance nutzen, Industrie 4.0 und damit die vierte industrielle Revolution aktiv mitzugestalten. Industrie 4.0 kommt nicht über Nacht. Eine sanfte Migration ist möglich: Der Weg geht vom Monitoring zur Selbststeuerung. Beispiel: Transport- und Lagerprozesse. In einem ersten Schritt lassen sich sämtliche Materialflüsse erfassen und visualisieren, sodass logistische Prozesse transparenter werden. In einem nächsten Schritt können intelligente Objekte und Systeme eingesetzt werden, z.B. Behälter, die in der Lage sind, ihre Bestände eigenständig zu überwachen und selbsttätig Nachbestellungen auszulösen. Industrie 4.0 wird dann zur Realität, wenn die Behälter sich auch autonom steuern, das heißt, wenn ein Behälter dem Gabelstapler den Befehl übermittelt, ihn von A nach B zu bringen. Das bedeutet natürlich auch, dass in einer Welt von Industrie 4.0 der Beruf des Logistikers technischer, kreativer und verantwortungsvoller wird.
Und so wie der Mensch sich an die Entwicklungen der Intralogistik anpassen muss, so muss sich auch die Prozessindustrie stetigen Änderungen wie z.B. wachsender Unsicherheit und zunehmenden Anforderungen zur Produktdifferenzierung und kürzeren Produktlebenszyklen anpassen. Die Antwort darauf bietet eine modular aufgebaute Produktionslogistik. Modulare Produktionslogistik stellt so was wie einen Paradigmenwechsel in der Planung und dem Betrieb von Produktionsanlagen dar. Sie ermöglicht eine effiziente und flexible Gestaltung von Produktionsprozessen und befähigt Unternehmen, ihre Produktion schnell an die aktuelle Nachfragesituation anpassen zu können. Modulare Produktionslogistik fordert beste Vernetzung und kann in Kombination mit intelligenten Systemen den Produktionsstandort Deutschland stärken.
Es zeigt sich also, dass unsere heimische Wirtschaft und Forschungslandschaft auch bei der Intralogistik noch einige Pfeile im Köcher haben.
André Sarin | redaktion@regiomanager.de
André Sarin
| redaktion@regiomanager.de
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