Nachhaltigkeit

Zukunftsperspektiven für nachhaltige Handwerksbetriebe

Umweltschutz und Ressourcenschonung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Handwerksbetriebe können durch nachhaltiges Handeln Vorteile erzielen.

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von Henry Bauten 12.07.2024
(© Adobe.Stock – master1305)

Nachhaltigkeit ist heute ein zentrales Thema, das alle Bereiche unseres Lebens durchdringt. Besonders im Handwerk, das tief in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen verwurzelt ist, spielt nachhaltiges Handeln eine entscheidende Rolle. Handwerksbetriebe tragen maßgeblich dazu bei, die Umwelt zu schonen, Ressourcen effizient zu nutzen und die Lebensqualität zu verbessern. Durch ihre vielfältigen Tätigkeiten, von der Energieversorgung über die Gebäudesanierung bis hin zur Herstellung von Alltagsgütern, sind sie ein wichtiger Akteur in der nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft.

Nachhaltigkeit bedeutet im Handwerk weit mehr als nur Umweltschutz. Es geht darum, langfristig zu denken und zu handeln, um die Bedürfnisse der Gegenwart zu erfüllen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. Dies umfasst sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Aspekte. Ein nachhaltiger handwerklicher Betrieb setzt auf ressourcenschonende Produktionsweisen, regionale Wertschöpfungsketten und soziale Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und der Gemeinschaft.

 

Potenziale erkennen

Das Handwerk spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Deutschland. Die Bundesregierung hat ehrgeizige Pläne zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045. Das Handwerk ist ein entscheidender Partner in diesem Prozess, indem es sowohl als Verbraucher von Energie als auch als Anbieter nachhaltiger Lösungen agiert. 

Handwerksbetriebe sind maßgeblich an der Installation von Solarmodulen, der Errichtung von Ladesäulen für Elektroautos, der Aufstellung von Windrädern und der energetischen Sanierung von Gebäuden beteiligt.

Dr. Constantin Terton, Bereichsleiter Wirtschaftspolitik des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH), betont: „Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 seine Treibhausgasemissionen erheblich zu reduzieren und bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Das Handwerk unterstützt diese ambitionierte politische Zielsetzung und übernimmt dabei eine doppelte Rolle: Es ist selbst Energieverbraucher und muss sich transformieren, gleichzeitig spielt es eine zentrale Rolle bei der praktischen Umsetzung der Energiewende.“

Das Engagement des Handwerks für Nachhaltigkeit zeigt sich in vielen Bereichen. Prof. Dr. Hans Jörg Hennecke, Hauptgeschäftsführer HANDWERK.NRW e.V., erklärt: „Das Handwerk ist mit vielen seiner Gewerke ein unverzichtbarer Dienstleister und Anbieter von Lösungen, mit denen Kunden Transformationsziele erreichen können. In den kommenden Jahren werden auch die Themen Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft massiv an Bedeutung gewinnen – insbesondere im Bausektor, der etwa die Hälfte des Handwerksumsatzes ausmacht. Ein praktisches Beispiel hierfür ist die energetische Sanierung von Gebäuden. Dr. Bernhard Baumann, Hauptgeschäftsführer der BAUVERBÄNDE.NRW, stellt fest: „Viele unserer Betriebe profitieren bereits von der energetischen Sanierung. Viele Immobilienbesitzer hegen den Wunsch, die Kosten für Strom und Gas zu reduzieren und das bringt unseren Unternehmen selbstverständlich neue Aufträge.“

 

Nachhaltigkeit als Chance

Die wirtschaftlichen Vorteile nachhaltigen Handelns sind bereits jetzt spürbar. Handwerksbetriebe, die auf nachhaltige Technologien und Verfahren setzen, können sich einen Wettbewerbsvorteil sichern. Dies gilt insbesondere für Bereiche wie die energetische Gebäudesanierung, die Installation erneuerbarer Energien und die Umsetzung von Kreislaufwirtschaftskonzepten.

Prof. Dr. Hennecke stellt klar, dass Nachhaltigkeit im Handwerk weit über ökologische Aspekte hinausgeht: „Das Handwerk bietet eine breite Palette an zukunftsträchtigen Berufen. Alles, was mit Elektrizität, Energie, Wärme, Klima oder Digitalisierung zu tun hat, wird in den kommenden Jahren große Wachstumschancen haben. Wer Lust auf Unternehmertum hat und wer Spaß an innovativen Technologien hat, dem stehen alle Märkte offen.“

Neben den wirtschaftlichen Vorteilen spielt auch das gesellschaftliche Engagement eine wichtige Rolle. Handwerksbetriebe sind oft tief in ihre lokalen Gemeinschaften eingebunden und tragen zur Schaffung und Erhaltung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen vor Ort bei. Dieses soziale Engagement ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit im Handwerk.

 

Herausforderungen und Lösungen

Trotz der vielen Chancen gibt es auch Herausforderungen, denen sich das Handwerk stellen muss. Die Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) verpflichtet künftig auch Handwerksbetriebe dazu, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen. Dr. Terton weist darauf hin, dass diese Transparenzrichtlinie dazu führt, dass größere Unternehmen ihre Verantwortung an die Zulieferer aus dem Handwerk weiterreichen, was kleine und mittlere Handwerksbetriebe stark belastet.

Ein weiteres zentrales Problem ist der Mangel an Fachkräften und Unternehmernachwuchs. Dr. Hennecke erläutert: „Der Mangel an Fachkräften und Unternehmernachwuchs ist derzeit branchenübergreifend das größte Problem – und eine echte Wachstumsbremse. Ein Problem, das sich durch viele Märkte des Handwerks zieht, ist die Neigung der Politik, Ergebnisse von Innovationsprozessen vorherzusehen und festzulegen.“ Dies führe zu einem kleinteiligen und widersprüchlichen Dirigismus, insbesondere in der Energie- und Klimapolitik. 

„Viel zielführender wäre es, wenn die Politik mehr auf die Bepreisung externer Effekte wie CO-Ausstoß setzen würde und den Marktteilnehmern es überlassen würde, nach besonders effizienten Wegen für mehr Klimaschutz und Ressourcenschonung zu suchen.“

Dr. Terton ergänzt: „Ein ‚Weiter so‘ kann es nicht geben – das gilt gerade für die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Der demografische Wandel in Kombination mit einer alternden Gesellschaft führt zu einem erheblichen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und neuen Auszubildenden. Gelingen kann dies nur mit einer Bildungswende hin zu echter Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in materieller und ideeller Hinsicht.“

Zusätzlich kämpft das Handwerk mit der Überkomplexität der umwelt- und baupolitischen Vorgaben. Dr. Baumann berichtet: „Für das Handwerk stellen sich aktuell drei drängende Herausforderungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit: der fehlende Produktstatus für Recyclingbaustoffe, die Überkomplexität der umwelt- und baupolitischen Vorgaben sowie der Balanceakt zwischen wachsenden Ansprüchen an Wohnraum und den technischen sowie wirtschaftlichen Realitäten.“

Dr. Baumann ergänzt: „Leider stuft der Gesetzgeber Recyclingbaustoffe noch immer als Abfall ein. Dieses Rechtsregime bringt eine Vielzahl von Nachteilen mit sich, von zusätzlichen Genehmigungen bis hin zu geringem Vertrauen seitens der Bauherren. Hier muss sich dringend etwas ändern, um die Nachfrage nach Recyclingbaustoffen zu erhöhen und nachhaltiges Bauen zu fördern.“

 

Technologische Innovationen und Nachhaltigkeit

Die Einführung neuer Technologien spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Nachhaltigkeit im Handwerk. 

Durch den Einsatz innovativer Technologien können Betriebe ihre Effizienz steigern, Ressourcen sparen und ihre Umweltauswirkungen reduzieren. Dies umfasst sowohl die Nutzung erneuerbarer Energien als auch die Implementierung moderner Produktionsverfahren.

Dr. Baumann weist darauf hin, dass moderne 3D-Druckverfahren und innovative Betonrezepturen, die CO binden, großes Potenzial für nachhaltiges Bauen bieten. Diese Technologien ermöglichen es, den Materialverbrauch zu reduzieren und gleichzeitig die strukturelle Integrität der Bauwerke zu erhalten.

Die Qualifizierung und Ausbildung der Mitarbeiter ist ein weiterer entscheidender Faktor für die Nachhaltigkeit im Handwerk. Dr. Terton unterstreicht: „Damit Handwerkerinnen und Handwerker ihr ganzes Potenzial entfalten können, braucht es wettbewerbsfähige, mittelstandsgerechte Rahmenbedingungen wie ein energiepolitisches Gesamtkonzept und ein gesellschaftliches Umdenken.“

Durch gezielte Ausbildungsprogramme und kontinuierliche Weiterbildung können Handwerksbetriebe sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um nachhaltige Technologien und Verfahren effektiv zu nutzen. Dies stärkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, sondern trägt auch zur Erreichung der nationalen und globalen Nachhaltigkeitsziele bei.

 

Zukunftsperspektiven

Trotz der Herausforderungen bietet die Zukunft viele Chancen. „Gute Marktchancen sehen wir in den Bereichen, die mit der energetischen Gebäudesanierung zu tun haben, sprich Dämmung, Heizungstausch, Dacherneuerung, Solarmodule und Windkraftausbau“, so Dr. Baumann. Diese Bereiche bieten nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern tragen auch erheblich zur Reduzierung der CO-Emissionen bei und fördern die Energiewende.

Ein weiterer Trend ist das serielle Bauen, bei dem Gebäudeteile im Werk vorgefertigt und dann auf der Baustelle montiert werden. Dies spart Zeit und Kosten und kann zu einer deutlichen Reduzierung der Ressourcenverschwendung führen. Zudem gewinnt das Building Information Modeling (BIM) an Bedeutung, ein digitaler Planungsansatz, der die Effizienz und Transparenz im Bauprozess erhöht.

In den kommenden Jahren wird auch die Holzbauweise an Bedeutung gewinnen, da Holz ein nachwachsender Rohstoff ist, der CO speichert. Moderne 3D-Druckverfahren und innovative Betonrezepturen, die CO binden, bieten ebenfalls großes Potenzial für nachhaltiges Bauen.

Darüber hinaus sieht Dr. Hennecke Potenzial in der Kombination von beruflicher und akademischer Bildung: „Es gibt viele gute Möglichkeiten, beide Wissenswelten in der Karriere zusammenzubringen, also Ausbildung und Studium zu kombinieren. Neben der klassischen Unternehmensneugründung gibt es auch große Chancen für diejenigen, die ein etabliertes Unternehmen mit guten Fachkräften und starker Marktposition übernehmen und in die Zukunft führen wollen.“

Das Handwerk ist bereit, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen und durch nachhaltiges Handeln einen wesentlichen Beitrag zur Klimatransformation zu leisten. Die Kombination aus traditionellem Wissen und modernen Technologien wird es den Handwerksbetrieben ermöglichen, auch zukünftig eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Entwicklung zu spielen. Durch gezielte Maßnahmen und eine stärkere politische Unterstützung kann das Handwerk nicht nur nachhaltiger, sondern auch wirtschaftlich erfolgreicher werden.

 

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Verantwortung

Nachhaltigkeit im Handwerk bedeutet nicht nur, ökologische Ziele zu verfolgen, sondern auch soziale Verantwortung zu übernehmen. Handwerksbetriebe sind oft Familienunternehmen, die tief in ihren lokalen Gemeinschaften verwurzelt sind. Sie tragen zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen bei und bieten Ausbildungsplätze für die nächste Generation an. Dieses soziale Engagement stärkt nicht nur die Gemeinschaft, sondern fördert auch die langfristige Stabilität und den Erfolg der Betriebe.

Durch gezielte Maßnahmen, innovative Technologien und ein starkes Engagement für die Gemeinschaft kann das Handwerk seine Rolle als zentraler Akteur in der nachhaltigen Entwicklung weiter stärken und die Herausforderungen der Zukunft meistern. 

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Fotostrecke

(© Adobe.Stock – master1305)

(© Foto: BAUVERBÄNDE NRW e.V.) Dr. Bernhard Baumann, Hauptgeschäftsführer der BAUVERBÄNDE.NRW.

(© Foto: ZDH / Ronja Schultz) Dr. Constantin Terton, Bereichsleiter Wirtschaftspolitik des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH)

(©Foto: HANDWERK.NRW e.V.) Prof. Dr. Hans Jörg Hennecke, Hauptgeschäftsführer von HANDWERK.NRW e.V.

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