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Keine halben Sachen

Um von Social Media zu profitieren, müssen viele Mittelständler ihre Auftritte immer professioneller gestalten – und das kostet.

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von Regiomanager 06.04.2021
Wer Social Media für sein Unternehmen nutzen möchte, sollte sich intensiv damit beschäftigen (© Aleksei - stock.adobe.com)

Seit Beginn der Corona-Krise boomen nicht nur Homeoffice und Videokonferenzen, auch der Social Media Account wird deutlich häufiger genutzt als zuvor. Influencer und Blogger machen es vor, wie schnell sich über Facbeook, Instagram & Co. eine große Reichweite erreichen lässt. Aber ist es wirklich so einfach?
„Viele Firmen, auch KMUs, reagieren auf die Krise mit innovativen Lösungen, zum Teil in erstaunlicher Geschwindigkeit“, erklärt Oliver Posegga, Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Soziale Netzwerke, an der Universität Bamberg. Viele kleinere Unternehmen haben Posegga zufolge soziale Netzwerke wie Facebook genutzt, um ihre Angebote an die Kundschaft zu kommunizieren und alternative Vertriebswege zu erschließen. Als Beispiel nennt er Gastronomen aus Bamberg, die sich auf Social-Media-Plattformen organisiert und spontan innovative digitale Vertriebswege und Geschäftsmodelle aufgebaut haben.
Das gilt allerdings nicht für alle. „Oft merkt man, dass die Auftritte von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus einer guten Idee heraus entstanden sind, aber nicht weiter kultiviert werden, was zu verwaisten und schlecht frequentierten Auftritten in den sozialen Netzwerken führt“, so Professor Posegga. Manchmal komme es auf diesen Seiten vor, dass dort alte Kundenbeschwerden aus vergangenen Monaten oder Jahren auftauchen, ohne dass das Unternehmen darauf reagiert hat. Das werfe ein schlechtes Licht auf die Firma.

Firmenwebseite ist ein Muss

Wenn sich Unternehmer damit auseinandersetzen, ob sich ein Social-Media-Auftritt lohnt, können sie sich als erste Orientierung zunächst über einen privaten Account auf relevanten Plattformen einen Überblick verschaffen, was die Konkurrenz dort veröffentlicht und wie die Resonanz darauf ist, rät Christopher Zerres, Professor an der Fakultät Medien und Informationswesen der Hochschule Offenburg. „Für kleine oder mittelständische Unternehmen, die beispielsweise Industrieprodukte herstellen, sind soziale Netzwerke weniger relevant, um neue Kunden zu gewinnen, als für Firmen, die Dienstleistungen erbringen oder Konsumgüter herstellen“, so Professor Zerres. Ein Muss gebe es jedoch für alle – und zwar eine Firmenwebseite mit Kontaktmöglichkeiten.

Social Media kostet Zeit und Geld

Selbst wenn Unternehmer eine für die Zielgruppe relevante Plattform identifiziert haben, bleibe noch die Frage, ob das Unternehmen die Kapazität hat, langfristig und regelmäßig relevante Inhalte zu posten, die das Interesse der Zielgruppe wecken, gibt Professor Zerres zu bedenken. „Der Mythos ,Social Media ist umsonst‘ greift zu kurz, da zwar die Nutzung dieser Plattformen umsonst ist, aber das Bespielen dieser Kanäle Zeit und Ressourcen kostet.“ Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sei es oftmals besser, sich einen Kanal auszusuchen und diesen regelmäßig mit interessanten Inhalten zu füllen, anstatt sich auf mehreren Kanälen mit gleichen Inhalten zu verzetteln. Dafür ticken die Kanäle aus Zerres‘ Sicht zu unterschiedlich.

Mit Xing oder LinkedIn starten

Wenn ein mittelständischer Unternehmer in den sozialen Netzwerken sein Profil schärfen sowie mehr Sichtbarkeit und Kontakte für sein Unternehmen erreichen will, kann er zunächst mit einem Firmen- oder einem persönlichen Profil, das sauber und regelmäßig gepflegt wird, in einem Business-Netzwerk wie Xing oder LinkedIn starten. Dazu rät Professor Posegga. Diese beiden Netzwerke haben einen Schwerpunkt auf dem Thema Recruiting, sind aber laut Professor Zerres auch fürs Agenda-Setting geeignet, wenn Unternehmen ihre Expertise durch Beiträge bereitstellen.
„Im nächsten Schritt könnte der Unternehmer beginnen, bestimmte Inhalte zu teilen oder die Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen zu pflegen, um das Netzwerk zu erweitern“, empfiehlt Professor Posegga. All diese Maßnahmen seien nicht so aufwendig wie aktuellen Content für Netzwerke wie YouTube oder TikTok zu produzieren, „richten sich aber selbstverständlich auch eher an potenzielle Geschäftspartner und Mitarbeiter als an den Endkunden“. Der Vorteil von etablierten Plattformen wie Instagram, TikTok und Facebook liegt laut Posegga darin, dass Dienstleister und Produktanbieter im B2C-Bereich schnell ein breites Publikum und damit potenzielle Kunden erreichen.

Große Reichweite und wenig Streuverluste

Das sieht Professor Zerres auch so: „Facebook, Instagram, Twitter, TikTok und YouTube sind gut, um Bekanntheit zu erlangen und Verkäufe zu fördern, und sollten in den Posts einen sogenannten ,Call to Action‘ sowie einen Link zur Webseite beinhalten.“ Gerade die große Reichweite dieser Netzwerke und die detaillierten Möglichkeiten, die Zielgruppe einzugrenzen und so Streuverluste zu vermeiden wie bei Plakaten in der Innenstadt, sind aus seiner Sicht ein großer Vorteil dieser Plattformen.
„Aber um virale Inhalte in Plattformen wie TikTok oder Instagram zu erzeugen, die viel Aufmerksamkeit bekommen, müssen Firmen den Zeitgeist und aktuelle Trends einfangen“, gibt Posegga zu bedenken. Das sei mit viel Aufwand verbunden und oftmals schwer planbar.

Accountpflege nichts für nebenbei

„Das Betreuen eines Social-Media-Accounts ist keine Aufgabe für nebenbei oder für Praktikanten“, erklärt Professor Zerres. Niemand würde Nachrichtenseiten besuchen, auf denen nur alle zwei bis drei Wochen ein neuer Inhalt erscheint. „Wenn Sie in sozialen Netzwerken tätig sein wollen, würde ich KMUs empfehlen, eine Person mit einer hohen Affinität für soziale Medien und entsprechender Erfahrung einzusetzen, die speziell für diesen Bereich dauerhaft die Verantwortung trägt“, rät Professor Posegga. Klare Ziele und Rahmenbedingungen sowie hinreichend kreativer Freiraum für die Nutzung sozialer Medien sind dabei aus seiner Sicht ebenso „wichtig wie der Mut zum Experiment mit dem Medium“.
Firmen mit Social-Media-Präsenz sollten sich Zerres zufolge auch Gedanken machen, wie sie auf einen Shitstorm reagieren. Hier gibt es allerdings keine allgemeingültigen Regeln: „Je schneller Firmen ehrlich auf die Kritik eingehen und sich beispielsweise authentisch entschuldigen, desto weniger groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weitreichenden Shitstorms kommt.“
Barbara Bocks | redaktion@regiomanager.de

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Professor Zerres: „Für KMUs ist es besser, sich einen Kanal auszusuchen.“

Professor Posegga: „Virale Inhalte sind mit viel Aufwand verbunden und schwer planbar.“

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