Produktion

Der Werkstoff für die Ökobilanz

Kunststoffverarbeitung ist auch in Deutschland immer noch eine Wachstumsbranche. Dennoch sehen sich die Unternehmen einigen Hürden gegenüber, die es zu nehmen gilt.

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von Regiomanager 01.08.2016
(Foto: ©digitalstock – stock.adobe.com)

Kunststoffe
sind aus unserer Welt kaum noch wegzudenken. Ob als Verpackung bei
Lebensmitteln, im Auto, Flugzeug oder Zug, in der Freizeit, beim Sport –
überall bauen Hersteller auf Produkte aus PVC, Polyethylen oder
Polyamid. Entsprechend groß ist der Wirtschaftszweig der Kunststoff
verarbeitenden Industrie. Nach Angaben des Gesamtverbandes
Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV e.V.) als zentrale Organisation
unabhängiger Fachverbände waren im Jahr 2015 rund 316.000 Beschäftigte
in 2.853 Betrieben angestellt, die gemeinsam einen Jahresumsatz von fast
60 Milliarden Euro erwirtschafteten – mit einem Plus von 1,3 Prozent
ein neuer Rekord, nachdem im Vorjahr bereits ein Allzeithoch erreicht
worden war. Allerdings war der Anstieg vor allem der hohen Nachfrage aus
dem Ausland zuzuschreiben, die Inlandswerte lagen auf Vorjahresniveau.
Die verarbeitete Menge belief sich 2015 auf 13,6 Millionen Tonnen.

Hohes Wachstumspotenzial

Die
Kunststoffverarbeitung gilt als relativ junger Industriezweig und ist
immer noch eine Wachstumsbranche. Entgegen dem Trend im verarbeitenden
Gewerbe konnten zwischen 2000 und 2012 mehr Beschäftigte (+6,1 Prozent
oder 17.500 Personen) nachgewiesen werden. Gleichzeitig stieg das
Qualifikationsniveau an: Der Anteil An- und Ungelernter ging zurück,
Fachkräfte mit Berufsausbildung und akademischer Ausbildung wurden mehr.
Laut einer Branchenanalyse der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,
Energie (IG BCE) aus dem Jahr 2014 ist eine unterschiedliche
konjunkturelle und strukturelle Entwicklung innerhalb der Branche auch
auf ihre zahlreichen Sparten zurückzuführen. Die Mehrzahl der
hergestellten Produkte werde von Abnehmern aus dem
Nahrungsmittelgewerbe, dem Baugewerbe sowie der Automobilindustrie
eingesetzt. Die Substitution von traditionellen Materialien wie Holz,
Metall oder Glas durch Kunststoff sei z.B. im letzteren Bereich – im
Zuge von Elektromobilität und Leichtbau – noch lange nicht
abgeschlossen. Aber auch in dieser Branche zeigen globale Trends wie
demografischer Wandel, Ressourcenknappheit, Klimawandel und
Digitalisierung Wirkung. Zudem beklage die Branche die
„Sandwichposition“: Die große Marktmacht von Lieferanten und Abnehmern
sorgt für einen starken Kosten- und Preisdruck. Die auf der
Rohstoffseite steigenden Kosten können demnach nicht ohne Weiteres als
höhere Preise bei den erzeugten Gütern weitergegeben werden. Die
Globalisierung tut ihr Übriges dazu: Kapazitäten in fremden Ländern,
insbesondere auf dem asiatischen Kontinent, werden aufgebaut und global
produzierende Konzerne erwarten von ihren Zulieferern häufig eine
Produktion vor Ort. Mit Spannung wird im Oktober die „K 2016“ erwartet,
die Messe der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Düsseldorf. Dort
wird mit neuen technologischen Impulsen gerechnet, die die gesamte
Branche weiter nach vorne bringen sollen. Digitale Technologien werden
die Automatisierung weiter vorantreiben und für höhere Transparenz und
Flexibilität in den Produktionsprozessen sorgen.

Zentraler Aspekt: Umwelt

Aus
ökologischer Sicht stehen die Kunststoffverarbeiter gleich mehrfach im
Fokus. Einerseits ist es ihr Werkstoff, der beispielsweise in der
Automobil- und Flugzeugbranche für effizientere, weil leichtere Bauweise
sorgt. In der Verpackungsindustrie wird immer weniger Kunststoff
benötigt, nach Angaben des GKV ging der Kunststoffbedarf bei
Verpackungen innerhalb der letzten zehn Jahre um 28 Prozent zurück.
Andererseits wird Kunststoff als Abfall- und Wiederverwertungsprodukt
äußerst kritisch betrachtet und bewertet. Daher liegt ein Schwerpunkt
der Branche auch darauf, schon in der Produktion ressourcenschonend und
abfallvermeidend zu arbeiten und auch nach Ablauf der Lebensdauer auf
effektives Recycling bzw. sinnvolle Verwertung der Reststoffe
hinzuwirken. Hier wird in „werkstoffliches Recycling“, „rohstoffliche
Verwertung“ und „energetische Verwertung“ unterteilt. Beim Recycling
werden Kunststoffe mechanisch aufbereitet, meist geschreddert, gereinigt
und sortenrein getrennt. Das Granulat kann als Rohstoff wiederverwendet
werden und ersetzt damit teilweise neu produzierte Granulate.
Vermischte oder verschmutzte Reststoffe werden in der rohstofflichen
Verwertung meist erhitzt, wodurch Monomere, Öle und Gase entstehen, die
vielfältig weiter genutzt werden können. Eine Alternative dazu ist die
energetische Verwertung, bei der durch Verbrennung freigesetzte Energie
zur Herstellung von Strom, Dampf oder Prozesswärme genutzt wird. Dennoch
landen Produkte der Kunststoffverarbeiter immer wieder im Meer und in
der Landschaft. Das verschafft dem Kunststoff ein negatives Image. Das
aber sei weniger der Industrie oder gar dem Produkt selbst
zuzuschreiben, sondern vielmehr den Menschen, die achtlos damit umgehen,
statt es ihrerseits den Wertstoffkreisläufen zuzuführen, wie Uwe
Schellerer 2014 im Vorwort der IGBCE-Branchenanalyse anmerkte. Neben dem
Image machen den Kunststoffverarbeitern politische Rahmenbedingungen
wie die Energiewende oder die EEG-Umlage das Leben schwer. Auch das
führt spürbar zu einem schleichenden Abwanderungsprozess der
Kunststoffproduktion in Schwellenländer nach Osteuropa oder China – was
zu weiteren Erschwernissen hinsichtlich der Kosten und
Rohstoffverfügbarkeiten führt.

GKV fordert vernünftige Politik

„Angesichts
der immer stärkeren Verflechtung der Weltwirtschaft hängt ein
erheblicher Teil unserer Wirtschaftsentwicklung von der Entwicklung in
der übrigen Welt ab“, hatte GKV-Präsident Dirk E. O. Westerheide zu
Jahresbeginn gesagt. „Ausgehend von einem für viele Betriebe
erfolgreichen Jahr 2015 überwiegt auch im Stimmungsbild zu Beginn des
Jahres 2016 die Zuversicht. 57 Prozent der vom GKV zu Beginn dieses
Jahres befragten Branchenunternehmen rechnen auch für das laufende Jahr
mit weiter steigenden Umsätzen. Lediglich neun Prozent rechnen mit
Umsatzrückgängen.“ Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands in den
vergangenen Jahren dürfe aber nicht zu dem Glauben verführen,
zusätzliche Belastungen der Industrie durch die Energiepolitik, die
Sozialpolitik und den Aufbau zusätzlicher Bürokratie könnten der
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nichts anhaben. „Die heute
hierzulande positive Grundstimmung kann als Grundlage für weiteres
Wachstum und für die Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt werden, wenn
die Politik endlich auch in Richtung der Wirtschaft wieder ein
‚freundliches Gesicht‘ zeigt und die anstehenden Probleme in
vernünftiger Weise löst.“

Stefan Mülders | redaktion@regiomanager.de

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